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Wing Tsun Defence

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Gedanken

Übersicht:

Was sind Erfolgserlebnisse im Wing Tsun Training? (Mai 2021)

Wenn man auf Wikipedia nachschaut findet man unter dem Wort „Erfolgserlebnis“ das folgende: „freudiges, Auftrieb gebendes Gefühl der Selbstbestätigung beim Gelingen von etwas, was nicht leicht zu schaffen, zu bewältigen war“.

Wie kann uns dies auf unserem Wing-Tsun-Weg hilfreich sein oder vielleicht auch im Weg stehen und was ist überhaupt ein Erfolgserlebnis im Wing Tsun?
In der westlichen Welt sind wir von Kindesbeinen an darauf konditioniert in allem was wir tun erfolgreich zu sein. Gelingt uns dies nicht, so sind wir relativ schnell enttäuscht, frustriert und verlieren im schlimmsten Fall das Interesse an einer Tätigkeit.

Wing Tsun hat seine Wurzeln in China. Wenn man eine Kampfkunst studiert, kann es hilfreich sein sich mit der dahinter liegenden östlichen Philosophie zu beschäftigen. Man könnte sogar behaupten, dass man keine Kampfkunst erlernen kann, ohne sich mit sich mit dem Philosophischen Hintergrund, dem „Weg“ also dem „Tao“ (siehe Taoismus) auseinanderzusetzen.
Ein wichtiges Prinzip des „Taoismus“, ist das „Wu-Wei-Prinzip“. Vereinfacht ausgedrückt versteht man darunter das „absichtslose Tun“, also ein Handeln, welches nicht vom Ego gesteuert oder willentlich herbeigeführt wird.  Ich möchte dies gerne an Hand des Erlernens einer neuen Technik veranschaulichen.

Alles was wir erlernen funktioniert so gut wie nie auf Anhieb. Wir brauchen Geduld und Ausdauer. Trotzdem ist es oft so, je mehr wir uns anstrengen, umso weniger gelingt es uns. Viele Schüler vermissen oder warten an dieser Stelle verzweifelt auf das gewünschte Erfolgserlebnis. Die Technik funktioniert einfach nicht. An diesem Punkt kann es hilfreich sein anders an die Sache heranzugehen als bisher. Wir stehen uns letztendlich nur selbst im Weg, wenn wir den Erfolg im herkömmlichen Sinne erzwingen wollen.

Das bereits erwähnt Wu-Wie-Prinzip beinhaltet zwei Methoden. Das Beobachten und das Loslassen. Wenn ich die Methode des Beobachtens auf unser Wing Tsun Training anwende, gibt es viele Dinge, welche ich beobachten kann. Wie fühlt sich die Bewegung an? Wie reagiert mein Körper? Welche Emotionen gehen in mir und meinem Partner vor und wie reagiere ich darauf?  Beim Loslassen geht es im Wesentlichen um das Loslassen des „Erlernen-wollens“ einer neuen Technik und der damit verbundenen Aussicht auf Erfolg.

Wenn wir diese beiden Methoden zusammenbringen entsteht ein neuer Ansatz, nämlich der des „einfach-nur-übens“ und im besten Fall dem Erkennen dessen, was an unserer Technik noch nicht stimmt oder was falsch ist. Wenn uns dies gelingt widerfährt uns ein echtes „Erfolgserlebnis“ und wir sind auf unserem Weg ein Stück weiter. Dass die „Technik“ dann irgendwann von allein funktioniert, geschieht letztendlich von ganz allein ohne unser zu-tun. Erst langsam, dann schnell und am Schluss ganz spontan und richtig.

Das wahre Erfolgserlebnis ist also weniger das Meistern einer Technik, sondern das Erkennen dessen, was wir noch falsch machen. Hat man dies verstanden so wird man weniger anfällig für destruktive Kritik und kann sich auf das wesentliche konzentrieren. Immer besser zu werden. Denn eins steht fest, es gibt immer einen der besser ist als man selbst.

Prinzipien im Wing Tsun (April 2022)

Es wurde sicher schon vieles, vielleicht sogar auch alles über die Prinzipien des Wing Tsun gesagt oder geschrieben. Die wohl im Westen bekanntesten vier Kampf-Prinzipien sind die folgenden:

  1. Wenn der Weg frei ist, stoß vor.
  2. Wenn der Weg nicht frei ist, bleib kleben.
  3. Wenn die Kraft des Gegners größer ist, gib nach.
  4. Wenn der Gegner zurückweicht, folge ihm.

Ich möchte diese vier Prinzipien nicht weiter kommentieren oder in Frage stellen, für mich persönlich haben sie jedoch am Anfang meines Wing Tsun Trainings keine wesentliche Rolle gespielt. Dies änderte sich aber mit den Jahren.

Was ist ein Prinzip?

Wikipedia beschreibt es folgendermaßen:
„Ein Prinzip (Plural: Prinzipien; von lat. principium = Anfang, Beginn, Ursprung, Grundsatz) ist das, aus dem ein anderes seinen Ursprung hat. Es stellt eine gegebene Gesetzmäßigkeit dar, die anderen Gesetzmäßigkeiten übergeordnet ist (der Begriff Gesetzmäßigkeit ist hier im Einzelfall ersetzbar durch Begriffe wie Gesetz, Naturgesetz, Regel, Richtlinie, Verhaltensrichtlinie, Grundsatzoder Postulat).“ (Quelle:https://de.wikipedia.org/wiki/Prinzip 22.04.2022)

Meiner Erfahrung nach muss jede:r Übende diese Prinzipien (sind es überhaupt mehrere?) selbst für sich entdecken, verstehen und umsetzen. Tiefes Verständnis kann nur das Ergebnis vieler Stunden Trainings und auch regelmäßigen Nachdenkens über die Techniken und Formen sein. Das eigentlich „Verstehen“ erfolgt dann zum rechten  Zeitpunkt spontan und intuitiv.

Ein für mich wichtiges Prinzip ist das folgende:
Die Intention jeder Bewegung ist immer den Gegner zu treffen und über seine Mitte (Zentrallinie) adäquaten Druck aufzubauen um zu sich entsprechend auszurichten. Im englischsprachigen Raum spricht man von „Forward Intention“.

Das ist das Schöne an dieser Kampfkunst, jeder kann sie auf seine eigene Art und Weise erforschen und verstehen. Ip Chun, der Sohn von Ip Man,  hat einmal in einem Interview gesagt, 50% des Wing Tsuns kämen vom Lehrer und die anderen 50% würden aus der eigenen Erfahrung entstehen. Ich bin der Meinung er hat recht mit dieser Aussage.

 

Die Aufgabe des Lehrers (Juni 2022)

Irgendwo habe ich einmal folgenden Satz gelesen „Ist der Schüler bereit, erscheint der Lehrer“. Es kann aber auch genau andersrum sein, und zwar: „Ist oder Lehrer bereit, erscheint der Schüler.“ Letztendlich bleibt die Erkenntnis, dass es ohne Schüler keinen Lehrer und ohne Lehrer keinen Schüler geben kann. Beide sind voneinander abhängig.

Wing Tsun ist ein chinesischer Kung-Fu Stil und Kung-Fu bedeutet übersetzt „harte Arbeit“. Aus der Sicht des Schülers ist es mit Sicherheit erst einmal so, dass der größte Teil dieser Arbeit vom Lernenden selbst geleistet werden muss. Aus der Sicht des Lehrers ist es nicht so einfach. Der Schüler lernt vom Lehrer und der Lehrer lernt „durch“ den Schüler. In der Lernpsychologie spricht man von reziprokem Lernen, dem „Lernen durch Lehren“. In dem Moment, in dem der Lehrer einem Schüler eine Technik zeigt oder erklärt, unterzieht sich der Lehrer selbst der härtesten Prüfung, nämlich ob er das, war er zeigen möchte, selbst verstanden hat. Früher hielt ich mich immer an das Motto: „Man muss eine Technik tausendfach trainieren, bevor man sie verstanden hat.“ Aus heutiger Sicht würde ich sagen, man hat sie erst richtig verstanden, wenn man sie sowohl anwenden als auch erfolgreich vermitteln kann.

Es ist die Aufgabe des Lehrers, den Schüler so zu unterrichten, wie es für ihn individuell am sinnvollsten ist. Wenn ich alle Schüler gleich unterrichte, kann es nur scheitern. Jeder Mensch hat unterschiedliche Stärken und Schwächen. Eine Technik, die bei einem großen kräftigen Mann funktioniert, kann für eine zierliche Frau gänzlich ungeeignet sein. Darüber hinaus ist jeder Körper von seiner Anatomie her etwas anders. Jeder lernt in seinem Tempo. Der Vergleich mit anderen ist nicht zielführend und sollte auf keinen Fall von Seiten des Lehrers gefördert werden. Ich glaube die größte Herausforderung für den Lehrer ist es hier die notwendige Geduld aufzubringen und den Schüler zwar zu fordern und regelmäßig aus der Komfortzone zu bewegen, ihn aber gleichzeitig nicht zu überfordern.

Was ich ebenfalls schon oft gehört habe, ist folgende Aussage: „Ein guter Lehrer, ist ein schlechter Kämpfer!“ Doch ist das wirklich so? Klar, ein Lehrer muss sich beim Training mit seinen Schülern zurückhalten, wodurch er sich vermutlich die ein oder andere Technik unterdrücken muss. Ob er dadurch allerdings schlechter wird, ist eine andere Frage. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.

Es ist auf jeden Fall so, dass der Schlüssel zu einer erfolgreichen Lehrer-Schüler-Beziehung gegenseitiger Respekt, Wertschätzung und Vertrauen darstellt. Grundlage hierfür ist eine angstfreie Atmosphäre. Es gibt leider Kampfkunstlehrer, welche ihre Schüler absichtlich „klein halten“ oder auch regelmäßig im Unterricht prügeln, nur um andere (oder sich selbst…)  zu beeindrucken. Aufgabe des Lehrers ist allerdings das Unterrichten und nicht das Beeindrucken. Natürlich gehört das Schlagen oder auch das Treffen zum Unterrichten dazu. Das Ziel ist jedoch die Vermittlung der Technik und das Aufzeigen von Schwächen. Um zu verstehen, wie eine Technik ausgeführt wird, gehört bis zu einem gewissen Grad auch dazu, dass man weiß, wie sich das Resultat „anfühlt“. Aus diesem Grund ist wichtig, auch mal getroffen zu werden. Angst oder Unwohlsein haben hier allerdings nichts zu suchen. Ziel ist immer, dass der Schüler irgendwann genauso gut oder besser als der Lehrer ist.